Wirtschaftlicher Überblick
Ein steiniger Weg
Hinter uns liegt ein gesamtwirtschaftlich steiniger Weg, der mit dem Ausbruch der Covid-Pandemie in 2020 begann und nicht zuletzt durch den Ukraine-Konflikt in eine unsichere weltpolitische Lage mündete. Das Jahr 2022 war ein extrem volatiles Jahr, in dem die Inflation in Deutschland außerordentlich stark anstieg, insbesondere im Baugewerbe. In Anbetracht dieser Ereignisse erwies sich die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 als recht widerstandsfähig, das BIP wuchs um 0,9 Prozent.
Im ersten Quartal 2023 rutschte die deutsche Wirtschaft dann infolge zweier vorangegangener negativer Quartale in eine rezessive Phase und stagnierte im zweiten Quartal 2023. Von Experten werden derzeit unterschiedliche Aussagen getroffen, die von einer leichten Rezession bis zu einem leichten Wachstum des BIP für den Rest des Jahres 2023 reichen.
Quelle: Statista and Destatis
Die hohe Inflation schmälert weiterhin die verfügbaren Einkommen, verringert die Konsumausgaben und bremst das Wirtschaftswachstum. Daten von Destatis, dem Statistischen Bundesamt, zeigen, dass die Realeinkommen der Deutschen im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahresende 2021 um 4,0 Prozent gesunken sind. Dies ist der stärkste Rückgang seit fast 15 Jahren.
Die am Verbraucherpreisindex (VPI) gemessene Inflation lag im März 2023 bei 7,4 Prozent und fiel bis Juli auf 6,2 Prozent. Eine strengere Geld- und Fiskalpolitik sowie höhere Zinssätze, die sich auf die Investitionen auswirken, dürften das Preiswachstum weiter bremsen.
Quelle: Statista
Die langfristigen Zinsen in Deutschland steigen seit Anfang 2022 rapide an.
Quelle: Ycharts
Für 2023 wird ein Anstieg der langfristigen Zinssätze auf ca. 3,0% erwartet, bevor sie sich im Jahr 2024 stabilisieren und möglicherweise leicht zurückgehen werden. Da die Europäische Zentralbank einen erneuten Anstieg der Inflation vermeiden will, ist eine kurzfristige Zinswende und Senkung der Zinssätze unwahrscheinlich.
Der deutsche Arbeitsmarkt bleibt angespannt, die Arbeitslosenquote liegt stabil niedrig bei etwa 5,5 bis 5,6 Prozent. Die gesamte Baubranche spürt einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Es wird erwartet, dass diese Herausforderung in den nächsten zehn Jahren weiter zunimmt, wenn die sogenannte „Babyboomer-Generation“ in den Ruhestand geht. Deutschland war und ist gezwungen, mehr und mehr qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen, um dem durch die voranschreitende Alterung versachten Mangel an Arbeitskräften entgegenzuwirken.
Trotz aller Probleme, mit denen die deutsche Bauwirtschaft konfrontiert ist, zeigte sich diese bis Mitte 2022 sehr solide, danach änderte sich dieser Trend jedoch. Im Vergleich zum Januar des Vorjahres wurde 2023 ein Rückgang des Auftragseinganges um 21 Prozent verzeichnet - allerdings stieg der Gesamtumsatz dieser Aufträge im gleichen Zeitraum um 5,8 Prozent. Dies ist auf die Preissteigerung in der Bauindustrie von ca. 16,5 Prozent zurückzuführen. Die bereinigten Einnahmen sanken um ca. 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)
Die Ergebnisse einer von uns durchgeführten Umfrage unter den großen deutschen Bauunternehmen zeigen eine Abkühlung des Marktes – einige bezeichnen den Markt sogar als „kalt“.
Quelle: Turner & Townsend Generalunternehmer Umfrage - Q1 2023
Mit Blick auf die Zukunft wurden die Unternehmen in der gleichen Umfrage zu ihrer zukünftigen Arbeitsauslastung befragt, die erwartungsgemäß für die kommenden Jahre als eher rückläufig gesehen wird. Anders als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres, hatte die große Mehrheit der Unternehmen noch keine vollen Auftragsbücher, was die von uns beobachteten Trends bestätigt.
Quelle: Turner & Townsend Generalunternehmer Umfrage - Q1 2023
Betrachtet man die Statistiken der Auftragseingänge anhand der Daten von Destatis genauer, so zeigt sich, dass die Auftragseingänge auf den niedrigsten Wert seit 2015 gesunken sind. Dementsprechend spiegelt sich dies in der Auslastung der Unternehmen für das kommende Jahr wider, weshalb wir derzeit eine sinkende Gewinnspanne der Unternehmen sehen. Auf der anderen Seite treiben steigende Material- und vor allem Lohnkosten die Baupreise weiterhin in die Höhe.
Der Rückgang der Auftragseingänge zeigt sich auch in den Ergebnissen unserer aktuellen Umfrage unter den großen deutschen Bauunternehmen. Wir fragten unter anderem, welche Herausforderungen derzeit den größten Einfluss auf die Auftragslage haben. An dritter Stelle wird mangelndes Vertrauen in den Markt für Investitionen in neue Projekte genannt. Ganz oben auf der Liste steht jedoch der Fachkräftemangel, gefolgt von übermäßigen Vorlauf- und Lieferzeiten.
Quelle: Turner & Townsend Generalunternehmer Umfrage - Q1 2023
Während die Konjunkturindikatoren keine eindeutige Prognose zulassen, wird deutlich, dass sich sowohl die Wirtschaft als auch die deutsche Bauindustrie verlangsamen. Unabhängig davon, ob dieser Rückgang tatsächlich in eine Rezession übergeht, stellen eine schwächelnde Konjunktur und eine verschlechterte Stimmung am Markt große Herausforderungen für die Bauindustrie dar.
© 2023 Turner & Townsend