Resilienz aufbauen – der Weg von der Rezession zum Aufschwung
Die allgemeine Marktabkühlung in Verbindung mit den in den letzten Jahren enorm gestiegenen Preisen bringen neue Herausforderungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Investitionsprojekten.
Experten weisen darauf hin, dass die Inflationsspirale, die die Bauindustrie bereits vor dem post-pandemischen Nachfrageschub vor zwei Jahren belastete, durch den Konjunkturabschwung durchbrochen werden könnte.
Doch auch wenn dies eintreten sollte, wird sich die Hoffnung der Kunden auf eine Preisreduktion auf das Niveau vor dem explosiven Inflationszyklus seit 2021 wohl kaum erfüllen. Die aktuelle Stimmungsumfrage von Turner & Townsend zeigt, dass die Bauunternehmen für 2023 immer noch mit einem Anstieg der Baukosten von ca. 5-6 Prozent rechnen.
Welche Instrumente und Taktiken bieten sich also an, um in dem aktuellen Marktumfeld trotzdem Projekte erfolgreich umzusetzen und kurz-, mittel- und langfristige Resilienz aufzubauen?
Alles beginnt mit den richtigen Grundlagen (kurzfristige Sofortmaßnahmen)
Der hohe Anstieg der Projektkosten stellt nach wie vor die größte Herausforderung in der Beschaffungs- und Bauphase dar, zumal der Weg zu einem stabilen Projekt stets mit der Kontrolle der Kosten und Risiken einhergeht. Besonders in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, eine strukturierte Grundlagenermittlung durchzuführen, um die notwendigen Voraussetzungen für das Projekt und die zugehörige Kostenplanung zu schaffen. Die folgenden drei Schlüsselbereiche sind hierfür entscheidend:
Eine gute Planung und Ausschreibung benötigt Zeit:
In Boom-Jahren ist der Zeitfaktor stets einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, entsprechend wird versucht, den Projekt-Zeitplan so weit wie möglich zu verkürzen. Häufig wird dies durch komprimierte Planungs- und Ausschreibungsphasen erreicht, bis hin zu einer Überschneidung beider Prozesse. Diese Verkürzung und Überschneidung jener Phasen, in denen man den größten Einfluss auf die Kosten und die Risiken nehmen kann, führen erfahrungsgemäß jedoch nur zu einem kurzfristigen Zeitgewinn. Stattdessen führt eine unzureichende Planung und der Mangel an robusten Kosten- und Zeitplänen zu einer Verlängerung der nachfolgenden Bauphase. Wenn dann noch eine Vielzahl von Änderungen und eine „Design-on-the-Go-Strategie“ hinzukommen, ist diese Zeiteinsparungstechnik selten erfolgreich.
Um in diesen Zeiten wirtschaftlich profitabel agieren zu können, ist es unumgänglich, sich die Zeit für einen umfassenden und belastbaren Projekt- und Zeitplan zu nehmen und eine "Design-to-Cost"-Methodik anzuwenden. Letzteres bedeutet, dass eine kontinuierliche Überprüfung und ggf. Überarbeitung der Kosten auf Konformität zum Budget erfolgt, und nicht erst am Ende der Planungsphase, wenn die Ergebnisse überprüft werden und dann in einem zusätzlichen Schritt angepasst werden müssen.
Im derzeitigen unsicheren Umfeld ist es nicht zielführend, sich bei der Beschaffung von Hektik leiten zu lassen. Auch hier ist eine angemessene Planung unerlässlich, um das bestmögliche Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten. Der Beschaffungsprozess der Bauleistungen ist der Schritt, bei dem der größte Teil der Projektkosten gebunden wird. Dieser Schritt sollte daher mit besonderer Sorgfalt ausgeführt werden. Ein Standardverfahren aus der Schublade ist weder angemessen noch zielführend. Ein ordnungsgemäßer Beschaffungsplan muss gut durchdacht sein, die aktuellen Markt- und Lieferkettenbedingungen widerspiegeln und an das individuelle Bauvorhaben angepasst sein. Bei großen Projekten werden oft mehrere Beschaffungswege beschritten, abhängig von den aktuellen Marktbedingungen, den zu beschaffenden Leistungen, dem Zeitpunkt, den momentan vorhandenen Informationen über Material und weitere Faktoren. Der Plan sollte auch nicht „in Stein gemeißelt“ sein, sondern jederzeit an die sich wandelnden Markt- und Lieferbedingungen angepasst werden. Zusätzlich müssen Beschaffungsteams sich Zeit nehmen, die Verträge vor Unterzeichnung einer gründlichen Risikoprüfung zu unterziehen, sowie systematische Kontrollen etablieren und vereinbaren.
Das Projektrisiko pragmatisch streuen:
Eine übermäßige Angst vor Kostenschwankungen kann dazu führen, dass Pauschalverträge attraktiv erscheinen, obwohl diese ein erhebliches Risiko für den Unternehmer darstellen. Wenn von Unternehmern verlangt wird, ein erhöhtes Risiko einzugehen, kann das weitere, weniger offensichtliche Risiken für den Auftraggeber auslösen.
So könnten beispielsweise Auftragnehmer versuchen, die angebotenen (niedrigen) Pauschalpreise während der Bauphase „aufzubessern“. Das führt dazu, dass jede kleine Projektänderung die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe treibt. Während des Ausschreibungsverfahrens erkannte Unstimmigkeiten und Lücken in der Planung werden für intensives „Nachtragsmanagement“ genutzt. Beides stellt für den Auftraggeber ein Risiko dar, auch wenn die anfänglichen Pauschalpreise attraktiv erscheinen. Daher sollten sämtliche Angebote risikoadjustiert bewertet werden, um eine Entscheidung nach einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis und nicht nur nach dem günstigsten Preis zu treffen.
Veränderungen entlang der Lieferkette im Blick behalten:
Diverse logistische, wirtschaftliche und politische Verwerfungen verursachten weltweite Lieferengpässe von Rohstoffen und Baukomponenten. Es ist unseres Erachtens weiterhin von zentraler Bedeutung, aktuelle Entwicklungen der Lieferketten im allgemeinen und bei den Schlüssellieferanten im Besonderen aufmerksam zu beobachten. Dazu gehört vor allem die Bewertung der am meisten betroffenen Phasen entlang der Lieferkette und im Bauvorhaben, um sich frühzeitig mit alternativen Lieferanten in Verbindung setzen zu können und eine zeitgerechte Lieferung der wichtigsten Materialien gewährleisten zu können.
Effizienz in alle Prozesse einbauen (mittelfristige Maßnahmen)
Die verschiedenen Akteure der Baubranche gehen unterschiedlich mit den genannten Herausforderungen um. Steigende Zinssätze und eine sinkende Kaufnachfrage haben einige Kunden aus dem privaten Immobiliensektor dazu veranlasst, ihre Investitionsentscheidungen zu überdenken und teilweise sogar Projekte zu stoppen. Andererseits stehen z.B. Infrastrukturprogramme unter Druck, eine möglichst frühe Inbetriebnahme zu erreichen. Für alle Akteure ist jedoch eines von zentraler Bedeutung: die Effizienz der Prozesse. Die folgenden Strategien zur Effizienz- (und damit auch Resilienz-) Steigerung haben sich bewährt:
Daten stehen im Mittelpunkt:
Legen Sie gleich zu Beginn des Projekts strenge „digitale Grundsätze“ für das Informationsmanagement fest. Daten sind einer unserer stärksten Effizienzfaktoren und müssen als solche anerkannt werden. Es sollte ein sicherer Austausch relevanter Daten zwischen Projektteams und Lieferanten stattfinden – idealerweise unter der Leitung eines Projektmanagement-Office (PMO). Ein solches PMO wird durch digitale Werkzeuge wie leistungsstarke Analyse- und Automatisierungssoftware unterstützt, um eine möglichst effiziente Sammlung und Aufbereitung von Daten zu ermöglichen.
Bei größeren Programmen ist eine einheitliche Datenstrategie aller Beteiligten unverzichtbar. Diese basiert auf gemeinsam vereinbarten Datenstrukturen und -modellen, um einen reibungslosen Austausch von belastbaren Informationen und Erkenntnissen zu gewährleisten – idealerweise in Echtzeit.
Investieren, um zu sparen:
Die “Modern Methods of Construction” (MMC) verwenden modulare, außerhalb der Baustelle hergestellte Komponenten, die anfangs zwar mehr kosten als herkömmliche Baumaterialien, aber im Laufe der Zeit erhebliche Einsparungen ermöglichen. Früher waren Betonfertigteile die Ausnahme, doch das hat sich aufgrund der damit verbundenen Kosten- und Zeitersparnisse geändert. Mittlerweile gibt es ein wachsendes Angebot von modularen Lösungen für Rohbau, Fassaden, Dächer und Sanitäranlagen bis hin zur Gebäudetechnik.
Vorgefertigte modulare Bauteile können nach einem einheitlich hohen Standard zusammengebaut werden und erfordern weniger Personal vor Ort, so dass weniger Zeit für die Montage benötigt wird. Der Schlüssel zur effizienten Nutzung der modularen Bauteile liegt in der frühzeitigen Einbeziehung des Herstellers in den Entwurfsprozess und einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern vor Ort. Die Bauteile müssen auf der Baustelle so eingebaut werden, wie es zuvor von dem Herstellungsunternehmen geplant wurde, weshalb reibungslose Abläufe zwischen den verschiedenen Herstellern wichtig sind, um die potentiellen Vorteile der Vorfertigung in Hinblick auf Termine, Kosten und Qualitäten nicht zu gefährden.
Zuverlässige Partner:
Im Vergleich zu dem völlig überhitzten Markt der vergangenen Jahre werden nunmehr wieder mehr Auftragnehmer aktiv versuchen (müssen) Projekte zu akquirieren. Diese Entwicklung kann für beide Seiten von Vorteil sein, indem sie partnerschaftliche Strukturen mit ausgewogenen Risikoverteilungen fördert. Unserer Erfahrung nach führt eine langfristige Zusammenarbeit mit einer Auswahl an zuverlässigen Auftragnehmern (ggf. via Rahmenverträge gebunden) stets zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis und einer höheren Qualität.
Die Annahme, dass ein transaktionsfokussiertes Vorgehen, also die Ausschreibung jedes einzelnen Projekts unter möglichst vielen Bietern, die besten Chancen bietet, den besten Preis zu erzielen, mag anhand der reinen Ausschreibungsergebnisse unmittelbar nach dem Beschaffungsprozess stimmen, spiegelt sich jedoch selten in der Schlussrechnung wider. Durch eine langfristige Zusammenarbeit mit zuverlässigen Partnern, die Ihre Arbeitsweise und Ihre gegenseitigen Erwartungen kennen, fallen weniger Nachträge an und es kommt zu weniger Verzögerungen aufgrund von Missverständnissen und falscher Kommunikation. Bei Betrachtung des Gesamtbildes, bringt diese Zusammenarbeit große Vorteile, da sie in der Regel zu einem schnelleren und problemlosen Projektabschluss, einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis und einer höheren Qualität führt.
Einen Neustart erwägen (langfristige Maßnahmen, 2024 und später)
Aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung gehen wir in unserer aktuellen Prognose davon aus, dass der Anstieg der Marktpreise im Jahr 2024 weiter nachlassen wird. Es ist zwar noch unklar, wie lange die reduzierte Aktivität im Bausektor anhält, aber die dringende Notwendigkeit einer Steigerung von Resilienz und Effizienz wird nicht mit dem Nachlassen der Inflation enden. Vielmehr muss unsere gesamte Branche die Abkühlung nutzen, um sich fit für die Zukunft zu machen!
Erfolgreich planen:
Ein solider Business- und Projektplan sowie eine langfristige Strategie sind in guten Zeiten von Vorteil, unter volatilen Marktbedingungen jedoch von entscheidender Bedeutung. Nur wer klare Ziele hat, wird während der Planungsphase eines Projekts auch eine angemessene Entscheidungsfindung bewerkstelligen, wodurch die Anzahl an kostspieligen Änderungen während späterer Phasen minimiert werden.
Jedes Projekt neu denken:
Jedes Projekt ist anders und muss entsprechend konzipiert werden. Eine typische Falle besteht deshalb darin, Projekte auf die gleiche Weise auszuführen wie vergangene Projekte, unabhängig von Größe, Komplexität, Dauer und Markt. Besonders Großprojekte erfordern spezifische Vorbereitungsprozesse und einen individuellen Ansatz, um den bestmöglichen Projekterfolg zu generieren. Ein Versäumnis führt erfahrungsgemäß in der Folge zu vermehrten Schwierigkeiten.
In der Praxis bedeutet das, sich Zeit zu nehmen für die Entwicklung und Umsetzung eines Projektstartplan, der sich über 30, 60 oder sogar 90 Tage erstreckt. Dieser dient der umfassenden Definition der Projektziele, die Schaffung sämtlicher Projekt-Grundlagen, Management-Pläne und Organisationsstrukturen sowie der Implementierung geeigneter Kontrollmechanismen. So kann gewährleistet werden, dass alle Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis des Projektes haben und effizient ihre Rolle einnehmen können.
Größtmöglichen Nutzen schaffen durch eine gesamtheitliche Betrachtung der Kosten:
Alternative Beschaffungs- und Vertragsformen können dabei helfen, das Risiko ausgeglichener zu verteilen und Lieferanten dazu anzuregen, die allgemeine Wertschöpfung zu maximieren, anstatt nur die Zielkosten zu erreichen. Zum Beispiel können Bauteile oder Materialien mit langen Vorlaufzeiten oft schon früh in der Planungsphase beschafft und bis zur Verwendung gelagert werden, wodurch mögliche Verzögerungen beim Bau aufgrund auftretender Lieferkettenprobleme abgemildert werden.
Letztendlich wird die Baubranche durch eine breitere Definition von Wertschöpfung, vor allem auch sozialer und ökologischer Wertschöpfung und Erfolgsmessung, widerstandsfähiger – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels. Zukunftsorientierte Kunden sollten ihre Definition von Erfolg erweitern, einschließlich der Erreichung von ökologischen Zielen und dem Aufbau von qualifizierten Arbeitskräften. Turner & Townsend hilft Ihnen dabei, vorausschauend in die Zukunft zu blicken und ebenfalls soziale und ökologische Perspektiven mit in die Projektziele und –erfolge zu inkludieren. Denn eine Baubranche, die sowohl sozialen als auch wirtschaftlichen Nutzen bringt, ist attraktiver für junge Talente und mit höherer Wahrscheinlichkeit Motor als auch Nutznießer des Aufschwungs.
© 2023 Turner & Townsend