Baupreisprognose
Trotz nachlassender Aktivität sollte die Bauwirtschaft nicht von sinkenden Preisen ausgehen
Der Konjunkturrückgang der deutschen Wirtschaft gibt Anlass zur Annahme, dass die Angebotspreise sinken werden. Dies ist jedoch keineswegs sicher. Insbesondere die nachlaufende Angleichung der Lohnkosten an die hohe Inflation und der Fachkräftemangel könnten einen Rückgang der Angebotspreise konterkarieren.
Ein Blick auf die Anzahl der im Jahr 2022 erteilten Baugenehmigungen zeigt zum ersten Mal seit Jahren wieder einen Rückgang; die Anzahl der Genehmigungen fällt sogar unter das Niveau von 2018.
Abbildung 8:
In Deutschland erteilte Baugenehmigungen nach Jahr
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)
Gleichwohl gibt es immer noch starke Wachstumsbereiche der Bauwirtschaft, insbesondere in den Sektoren Industrie und Infrastruktur. So prosperieren Projekte für Datenzentren und scheinen diesen Trend auch in Zukunft weiter fortzusetzen. Das Engagement Deutschlands und der EU für eine Alternative zu fossilen Brennstoffen zeigt sich in den sehr großen Infrastrukturprojekten für "saubere Energie", die derzeit bereits laufen, gerade ausgeschrieben werden oder in der Pipeline sind.
In den letzten zwei Jahren wurde ein enormer Anstieg der Baukosten um weit über 30 Prozent verzeichnet, aber dieser Trend beginnt sich zu ändern. Im vierten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 ist die jährliche Eskalationssrate auf 10-12 Prozent pro Jahr gesunken, wobei Q2 weiter auf knapp über 3 % sinkt. Es wird erwartet, dass wir langsam zu „normalen“ Eskalationsraten von 3-4 Prozent pro Jahr zurückkehren.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)
Hohe Energiepreise haben einen großen Einfluss auf alle brennstoffbasierten Materialien. Die Erwartungen der Auftragnehmer im ersten Quartal 2023 deuten darauf hin, dass die Materialpreise im Laufe der nächsten zwölf Monate eher nicht zurückgehen werden, auch wenn sich das Tempo des Anstiegs der Materialkosten deutlich verlangsamen dürfte.
In einigen Bereichen ist eine gewisse Stabilisierung der Materialpreise zu erkennen. Verglichen mit dem kumulativen Anstieg der Materialpreise der letzten drei Jahren sind diese Rückgänge jedoch minimal. Es ist nicht zu erwarten, dass die Preise in absehbarer Zeit so stark zurückgehen, dass sie größere Auswirkungen auf die Angebotspreise haben.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)
Was bedeutet das für unsere Prognosen?
Unseren Schätzungen zufolge werden die Preise bei Ausschreibungen im Bausektor im Jahr 2023 im Durchschnitt um ca. 5 Prozent steigen. Das ist deutlich weniger als der Anstieg der letzten zwei Jahre (über 15 % pro Jahr), jedoch immer noch signifikant, vor allem wenn man die Summen der drei Jahre addiert (ca. 35 % Anstieg seit Anfang 2021). Für das Jahr 2024 gehen wir von einer weiteren Verlangsamung des Anstiegs der Baukosten aus und erwarten, dass ein Wert von 2,0 bis 4,0 Prozent in den nächsten Jahren konstant bleibt.
Abbildung 11:
Ausschreibungspreise in Deutschland: Prognostizierte jährliche Veränderungen in Prozent
Quelle: Turner & Townsend Datenprognose
Unsere Prognosen sind für Deutschland repräsentativ und der Anstieg kann je nach Projektgröße, Wert, Beschaffungsweg und Region variieren. Projekte müssen individuell bewertet werden und stimmen möglicherweise nicht immer mit unseren zentralen Szenarien und Prognosen überein. Für weitere Unterstützung zur Kostensicherung und Inflationsanalyse in Ihrer Region wenden Sie sich bitte an Turner & Townsend.
Der Konjunkturabschwung und die Abkühlung des Marktes werden den Inflationsdruck in der Bauindustrie für den Rest des Jahres 2023 verringern. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass Auftragnehmer aktiv um künftige Aufträge werben müssen, nachdem sie in den letzten Jahren Aufträge aufgrund maximaler Auslastung ablehnen mussten. Die wirtschaftlichen Schwankungen und ein reduziertes Vertrauen in den Markt und Investitionen führen dazu, dass mehr Projekte verschoben und/oder nicht weiterverfolgt werden.
Auch die Materialkosten stabilisieren sich, und in Verbindung mit der Tatsache, dass längere Vorlaufzeiten weniger problematisch sind, prognostizieren wir, dass sich der Anstieg der Angebotspreise im Vergleich zu den beiden Vorjahren um mehr als Zweidrittel verringert. Es wird jedoch erwartet, dass aufgrund des Fachkräftemangels in Verbindung mit steigenden Lohnkosten die Preise relativ stabil bleiben.
Obwohl unsere Prognose vorerst keine Deflation im Baugewerbe sieht, könnten die Preise abhängig von der Projektpipeline und der Zuversicht in Investitionen im Jahr 2024 beginnen zu fallen. Die Wirtschaftsleistung Deutschlands und die Resilienz der Bauindustrie gegenüber einem Konjunkturabschwung werden eine entscheidende Rolle bei der weiteren Preisentwicklung spielen.
© 2023 Turner & Townsend